Das Werk „anderswo“ von Marie S. Ueltzen nimmt sich das Gemälde „Sitzendes Mädchen mit verschränkten Armen“ von 1903 der Künstlerin Paula Modersohn-Becker zur Vorlage und interpretiert es neu, überträgt es in die heutige Zeit. „Aus der Sicht des Kindes, des Mädchens, liegt das „Leben“ noch vor ihr, noch ungebunden, frei, wie ein Versprechen. Es stellt sich die Welt außerhalb der eigenen vor“, sagt Marie S. Ueltzen: „Um die eigene Position zu begreifen, um vorbereitet zu sein auf das Unbekannte, auf das, was uns in unserem Leben noch begegnen wird, auf das, woran wir reifen werden, stellen wir uns die Welt als einen Ort vor, den wir mit eigenen Vorstellungen und Wünschen füllen, den wir fühlen, bewohnen, bereisen und gestalten möchten. Und durch den eigenen Antrieb, etwas zu beobachten, zu begreifen und selbst einordnen zu können, kann etwas Neues hervorgebracht werden und alles seinen Platz in der Welt finden.“
Marie S. Ueltzen fragt nach der Vorbestimmtheit des Lebens von vor hundert Jahren und setzt diesen in die Gegenwart. Der Blick des Mädchens, die verschränkten Arme, das Shirt mit dem Aufdruck „anderswo“, die Kinderzeichnungen vom Berliner Funkturm, Eifelturm oder der Freiheitsstatue im Hintergrund verweisen auf Neugierde, Lebensmut und Selbstbewusstsein, stehen als Antrieb für das Denken und die Vorstellungskraft, die Zuwendung hin zum Studieren der Welt. Die Welt steht heute den Mädchen offener gegenüber als vor hundert Jahren, als sich eine Paula Modersohn-Becker aus den Fängen einer männlich-chauvinistischen Übermacht zu befreien versuchte.
Marie S. Ueltzen,
anderswo, 2021, Schurwolle und
Goldlamégarn, Acryl, Jute, 200x200 cm,